Asgaria und die heilige Stätte

Eine Kurzgeschichte aus Waldheim in zwei Teilen – (unveröffentlicht und unlektoriert)

»Genossin Asgaria«, rief Friederich ihr nach Luft japsend entgegen.
Asgaria blickte von ihrem Bogen auf, den sie soeben neu bespannt hatte.
»Genosse Friederich, was‘n passiert?«, fragte sie überrascht und musterte die junge Ratte, die schnaufend ihre kleinen Pfoten auf die Oberschenkel stemmte.
»Es geht um unsere heilige Stätte, der Baum … der heilige Baum, … also der heilige Baumstumpf, … da sind … es sind … «
Asgaria stand auf und legte ihre Pfote auf die Schulter ihres Genossen.
»So beruhige dich doch, hol ers‘ mal Luft und erzähle mir dann, was mit dem heiligen Baumstumpf los is‘.«
Genosse Friederich nickte ihr dankend zu und atmete mehrmals schnell ein und aus.
»Da sind Zwerge in unserer heiligen Stätte«, begann er zu erzählen, als er sich wieder beruhigt hatte.
»Sie machen etwas mit dem Baum, doch ich konnte nicht erkennen was. Ich hatte Angst. Was könnte ich alleine schon gegen neun dieser Zwerge ausrichten. Sie sind doch so viel größer als wir.«
Asgaria streichelte beruhigend über Friederichs Oberarm.
»Keine Sorge, Genosse. Die Zwerge mögen zwar größer sein, doch wir sind viele. Und wenn sie sich an dem heiligen Baumstumpf zu schaffen machen, bekommen sie‘s mit den vereinten Kräften der Poks zu tun.«
Asgaria ballte ihre kleine Pfote zu einer Faust und sah ihren Genossen entschlossen an. Äußerlich ließ sie es sich zwar nicht anmerken, doch innerlich sorgte sie sich. Erst vor kurzem gabelten sie eine ungewöhnliche Truppe im Sansewald auf. Ein Jarduhzwerg, zwei Bathaner vom Moklimstamm und ein Mensch von der Erde. Auch sie wollten damals zu der heiligen Stätte. Doch die heilige Stätte mit dem darauf verwurzelten Baumstumpf, war das Heiligste, was die Poks besaßen. Sonst würde sie ja nicht heilige Stätte heißen. Was dachten die anderen Waldheimbewohner denn? Dass man dahin pilgern konnte, ein- und ausmarschierend, wie in einer Dorfschenke? Und wenn selbst ein Mensch sich hierher verirrte und aus unverständlichen Gründen, die Stätte betreten wollte, was würde als Nächstes geschehen? Unglücklicherweise entkam die Truppe damals und dann bekamen sie es auch noch mit einem mächtigen Waldgeist zu tun. Was ging hier verdammt nochmal vor? Und jetzt die Zwerge hier? Dies war absolut inakzeptabel! Sie hatte keine Ahnung, was sich in Waldheim zusammenbraute, doch sie und ihre Genossen würden die heilige Stätte, bis aufs Blut verteidigen. Und nicht nur die heilige Stätte, sondern den gesamten Sansewald.
»Trommel alle Kriegerinnen und Krieger im Dorf zusammen«, befahl sie ihrem Genossen voller Inbrunst. »Wir werden den Zwergen ‘ne ordentliche Abreibung verpassen.«
Friederich schaute sie mit großen Augen an und leckte sich über seine Stupsnase.
»Aber Genossin Asgaria … «, stammelte er verzweifelt, » …das ist ja das Problem.«
Die Pokdame legte ihre haarige Stirn in Falten: »Was ist das Problem?«
Ihr Genosse verlagerte das Gewicht von einem Bein auf das andere und sah sie dabei entschuldigend an.
»Alle Poks sind weg.«
»Wie weg?«
»Ja, weg.«
»Und wo sind alle?«, fragte sie empört.
Friederich druckste etwas herum, ehe er es kleinlaut aussprach.
»Alle sind in der Geruhschlucht und feiern die doppelte Mondfinsternis.«
Waldheim besaß zwei Monde. Und ab und an kam es eben zu einer doppelten Mondfinsternis, was die Poks mit einem großen Lagerfeuer, rhythmischen Trommelklängen und tanzend in der Geruhschlucht feierten.
Asgaria klatschte sich mit der flachen Pfote an die Stirn. Natürlich, wie konnte sie das nur vergessen.
»Also gut, Genosse Friederich«, sagte sie entschieden. »Dann eben nur wir zwei.«
Friederich riss erschrocken die Augen auf.
»Nur wir zwei?!«
Asgaria nickte knapp. »Nur wir zwei.«
Ihr Genosse schluckte schwer und schien nicht überzeugt zu sein. »Und wie wollen wir das anstellen?«
Die Pokdame lachte zuversichtlich. »Überlass das mal deiner Genossin Asgaria. Ich werd‘ das Ding schon schaukeln. Mach du nur das, was ich sage. Bereit?«
Genosse Friederich nickte skeptisch. Das reichte Asgaria als Antwort, schnappte sich Pfeil und Bogen und stürmte los.

Fortsetzung folgt…

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